– Der „KrisenKompass“ der Telefonseelsorge hat sich als ein weiterer Baustein der Krisenintervention etabliert. Rund ein Jahr nach Freigabe der App bei Google Play und im App Store liegen die aktuellen Downloadzahlen des „Notfallkoffers für die Hosentasche“ im März bei je etwa 11.000. „Es war natürlich ein Zufall, dass wir den KrisenKompass fast zeitgleich mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 fertiggestellt haben“, sagt Dr. Stefan Schumacher, Leiter der Telefonseelsorge Hagen-Mark und einer der Initiatoren der App. „Im Nachhinein stellen wir fest: er hätte gar nicht passender kommen können. Denn inzwischen wissen wir, dass depressive Stimmungen und Suizidgedanken in der Krise zugenommen haben oder jedenfalls deutlich häufiger von unseren Kontakten am Telefon, per Mail oder Chat genannt werden, als vor der Pandemie. Genau bei solchen Gefühlslagen kann der KrisenKompass Hilfe bieten.“
Die App richtet sich an drei Gruppen: an Menschen, die sich deprimiert fühlen oder bereits Suizidgedanken haben, an Menschen, die bei Angehörigen oder im Freundschaftsumfeld solche Stimmungen wahrnehmen und an Menschen, die durch den Suizid einer ihnen nahestehenden Person belastet sind. Sie bietet Hilfen zur Einordnung der als quälend empfundenen Gefühle, vermittelt Fakten rund um diese Gefühlslage und zeigt, wie sich Krisen meistern und Kraftquellen aufbauen lassen. Wechselseitige Verstärkung über verschiedene Kommunikationswege „Wir bekommen positive Rückmeldungen zum KrisenKompass interessanterweise sehr oft von unseren Beraterinnen und Beratern am Telefon und bei der Chat- und Mailberatung“, konstatiert Rita Hülskemper, die die Telefonseelsorge-Stelle in Münster leitet und ebenfalls an der Konzeption des KrisenKompass mitgearbeitet hat. „Das deutet daraufhin, dass auf den Download oft in einem nächsten Schritt die Kontaktaufnahme zu einem Gegenüber erfolgt, sodass die emotionale Situation dann auch im Dialog bearbeitet werden kann.“ „Und umgekehrt empfehlen unsere Ehrenamtlichen den KrisenKompass auch an ihre Kontakte“, fügt Bernhard Wagener hinzu, stellvertretender Dienststellenleiter in Siegen und Dritter im Bund des KrisenKompass-Teams. „Insgesamt ergänzt die App damit unser Unterstützungsangebot perfekt und ist gerade durch ihre Niederschwelligkeit ein Einstieg in die Kommunikation über dieses schwierige Thema.“ .
Selbstverständlich gäbe es auch Kritik, etwa an mangelnder Barrierefreiheit der App. Dies sei für das Entwickler-Team ein Ansporn, sie weiter zu optimieren. Hauptsächliche Nutzung durch Betroffene und im Freundschaftsumfeld. Von den drei angesprochenen Zielgruppen nutzen nach den vorliegenden Erkenntnissen – die allerdings nicht auf systematisch erfassten statistischen Daten beruhen – an erster Stelle persönlich Betroffene den KrisenKompass. „Aber auch Freundinnen und Freunde, die sich Sorgen machen, geben uns Rückmeldungen“, so noch einmal Rita Hülskemper. Nur relativ wenig ließe sich über die Gruppe der von einem Suizid im eigenen Umfeld Betroffenen aussagen. „Hier gibt es bisher nur vereinzelte Rückmeldungen, dass über den KrisenKompass ein Gesprächs-, Mail oder Chat-Kontakt zustande kam.“ Insgesamt freuen sich die Team-Mitglieder über das Erreichte. „Unsere Vermutung, dass auch über dieses Medium Beratung und Unterstützung in seelischen Krisen möglich und notwendig ist, hat sich bestätigt“, betont Stefan Schumacher. „Jetzt müssen wir dafür Sorge tragen, dass noch mehr Menschen diese Möglichkeit der Unterstützung durch Selbsthilfe kennen und bei Bedarf nutzen.“